Im Gegensatz zu einer PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung) die während eines klar zeitlich abgrenzbaren Zeitraumes durch klar benennbare traumatisierende Situationen entstanden ist, findet bei einer K-PTBS (komplexe Posttraumatischen Belastungsstörung) eine Dauertraumatisierung statt, meist von frühester Kindheit an. Daher spricht man bei einer PTBS von einem Schocktrauma und bei einer KPTBS von einem Entwicklungstrauma.
Bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) treten Flashbacks in der Regel in Form von Bildern auf. Betroffene erleben dabei bestimmte Situationen oder Szenen erneut, die mit dem ursprünglichen Trauma verbunden sind.
Bei einer Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (KPTBS) stehen dagegen starke Emotionen im Vordergrund. Diese emotionalen Flashbacks lassen sich oft schwer kontrollieren oder in Worte fassen, da sie nicht an konkrete Bilder gebunden sind.
Ein emotionaler Flashback kann durch scheinbar banale Situationen ausgelöst werden, zum Beispiel:
ein Geräusch oder Geruch
ein bestimmtes Stichwort
ein Blick oder eine Geste
ein spezieller Kommunikationsstil
Diese sogenannten Trigger können innerhalb von Sekunden eine starke emotionale Reaktion hervorrufen.
Wird ein Flashback ausgelöst, fühlen sich Betroffene häufig in eine völlig andere Welt katapultiert. Typische Symptome sind:
Herzrasen
Todesangst
Schwindel
Schwitzen
Zittern
Allen Reaktionen gemeinsam ist ein Gefühl des Kontrollverlustes. Betroffene fühlen sich klein, schwach, hilflos und sind oft nicht mehr in der Lage, klar zu denken.
Menschen mit einer K-PTBS waren oft von frühester Kindheit an psychischen Demütigungen und massiven Entwertungen ausgesetzt. Es kann, muss aber nicht zu körperlicher Gewalt gekommen sein. Wir befinden uns hier in toxischen (dysfunktionalen) Systemen mit Mitgliedern die an einer Persönlichkeitsstörung leiden und diese Symptomatik im System ausleben:
Im amerikanischen Diagnosesystem (DSM) findet man diese meist im Cluster B. Dazu gehören folgende Persönlichkeitsstörungen:
Ein zentrales Charakteristikum dieser Persönlichkeitsstrukturen ist eine ausgeprägte emotionale Instabilität. Häufig handelt es sich um Personen mit dysfunktionalen, teilweise toxischen Verhaltensmustern, die verschiedene zuvor beschriebene Symptome kombinieren.
Zur Kompensation innerer Konflikte und emotionaler Belastungen bedienen sich Betroffene ihres sozialen Umfeldes, etwa innerhalb von Familie, Freundeskreis, beruflichem Kontext oder ehrenamtlichen Strukturen. Dabei kommt es oftmals zu sogenannten „Reinszenierungen“ biografisch bedeutsamer Erfahrungen aus Kindheit und Jugend, bei denen Täter- und Opferrollen vertauscht werden. Da das eigene Verhalten in der Regel nicht kritisch reflektiert wird, wird jede Form externer Kritik als unzulässig und inakzeptabel zurückgewiesen.
Durch die permanenten Angriffe entsteht ein Dauerstress. In diesem Fall übernimmt der älteste Hirnstamm, das sog. Reptiliengehirn die Führung. Hier findet die Steuerung unserer Stoffwechselprozesse, der Atmung und des Herzschlages statt. Wir haben auf diesen Teil keine bewusste Zugriffsmöglichkeit, er entzieht sich unserer Kontrolle (autonomes Nervensystem).
Um der Situation körperlich gerecht zu werden sorgt das Nervensystem für die Freisetzung von Adrenalin. Bei einer Dauerbelastung werden zusätzlich stoffwechselanregende Hormone wie Cortisol von der Nebennierenrinde ins Blut abgegeben, da das Adrenalin zwar sofort, aber nur für kurze Zeit wirksam ist. Diese Reaktionen liefern die Energie für überlebenssicherndes Verhalten, das einer Stresssituation bei Tieren unter artgemäßen Bedingungen angemessen ist: Kampf oder Flucht. Mittlerweile hat man herausgefunden, dass Menschen in traumatischen Situationen noch weitere Reaktionen an den Tag legen können: Erstarrung (Notabschaltung, Dissoziation, Amnesie) oder Unterwerfung (Co-Abhängigkeit).
In der amerikanischen Literatur findet man diese Konfliktlösungsstrategien unter dem Überbegriff „4F“ (fight, flight, freeze, fawn). Übertragen auf körperliche Reaktionen könnten diese 4 Fs z.B. zu folgenden Symptomatiken führen:
Die K-PTBS und ihre Begleitsymptomatiken sind im deutschsprachigen Raum vielen Ärztinnen, Ärzten und leider auch etlichen Therapeutinnen und Therapeuten kaum oder gar nicht bekannt. Ein Grund dafür ist, dass es erst mit dem ICD-11 einen eigenen Diagnoseschlüssel gibt – dieser wird in der Praxis jedoch bislang nur selten verwendet.
Bemerkenswert ist, dass für die Diagnose einer K-PTBS zunächst eine PTBS festgestellt werden muss. Dies verdeutlicht, wie wenig über die Entstehung und die Besonderheiten der KPTBS in Fachkreisen bekannt ist. Wäre dies anders, könnten sich Betroffene häufig einen langen, leidvollen Weg ersparen, der sie mit unterschiedlichen körperlichen und psychischen Symptomen von Arzt zu Arzt und von Spezialist zu Spezialist führt. Zu lang andauernder Stress kann – insbesondere durch die kontinuierliche Hormonproduktion – erhebliche Schäden im Körper anrichten. Im schlimmsten Fall führt dies zu einem vollständigen Zusammenbruch des Organismus.
Was hinter uns liegt
und was vor uns liegt,
ist eine Kleinigkeit im Vergleich
zu dem, was in uns liegt.
Ralph Waldo Emerson
In einem toxischen Umfeld ist es entscheidend, dass Betroffene bestätigt bekommen, was sie über Jahre hinweg erlebt haben. Oft gibt es keine Zeugen, da das Umfeld so tut, als sei alles normal und richtig. Das Anerkennen und Bezeugen des Geschehenen ist daher der erste wichtige Schritt in Therapie und Coaching.
Wenn das Verdrängte endlich Raum bekommt, entsteht häufig eine heilsame Wut. Diese Emotion ist wichtig, weil sie den lange verleugneten Schmerz sichtbar macht und so den Heilungsprozess einleitet. Wird diese Wut externalisiert, so ensteht Raum für Neues und Positives.
Viele Betroffene haben den Kontakt zu ihrem Körper verloren. Ein wesentlicher Teil des Heilungswegs ist daher die Rückkehr zur Achtsamkeit und das Wiederentdecken der eigenen körperlichen Signale und Bedürfnisse.
Ein zentraler Schritt ist die Auseinandersetzung mit dem inneren Kritiker, der oft noch strenger und verletzender auftritt als die Stimmen im Außen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bearbeitung der toxischen Scham, die Betroffene häufig lähmt und am Vorankommen hindert.
Besonders hilfreich ist die Arbeit mit inneren kindlichen Anteilen, um die verletzten inneren Persönlichkeitsanteile zu integrieren und zu heilen.
Durch gezielte Trauerarbeit und die Heilung der Gefühlswelt können Betroffene alte emotionale Belastungen Schritt für Schritt loslassen.
Therapeutisch ist es wichtig, dass Betroffene lernen, sich selbst, ihren Empfindungen, Gefühlen und ihrer Intuition wieder zu vertrauen.
Ein weiterer Schritt ist das Erkennen von Gaslighting, also der systematischen Manipulation, die über lange Zeit das Vertrauen in die eigene Realität untergraben hat.
Sobald die Muster sichtbar werden, kann die Täter-Opfer-Dynamik erkannt und aufgelöst werden – ein entscheidender Prozess, um Selbstbestimmung zurückzugewinnen.
Ein zentraler Bestandteil des systemischen Ansatzes ist das sichtbar machen von falschen Glaubenssätzen und Bewertungen, die Betroffene oft ein Leben lang durch Indoktrination übernommen haben.
Die verschiedenen inneren Anteile werden identifiziert, anerkannt und in den Heilungsprozess integriert. Dadurch entsteht mehr Verständnis für die eigene innere Dynamik und die Selbstsabotage-Programme.
Vergangenes wird im Rahmen des Reframings neu betrachtet. Durch den Wechsel der Perspektive können alte Erlebnisse neu interpretiert werden.
Ein weiterer Schritt ist das Training neuer Sprachmuster, die eine gesunde innere und äußere Kommunikation fördern.
Die oft unsichtbaren Täter-/Opferdynamiken werden offengelet und bewusst gemacht.
Darauf aufbauend werden neue Denk- und Verhaltensmuster entwickelt und trainiert, die den Betroffenen mehr Handlungsspielraum geben.
Ein wichtiger Bestandteil ist die Stärkung des Selbstwertes, damit Betroffene sich wieder sicher und handlungsfähig fühlen.
Der systemische Ansatz unterstützt dabei, gesunde Grenzen zu setzen, ohne dabei von Schuldgefühlen belastet zu werden.