Komplexe PTBS (K-PTBS) Entwicklungstrauma Traumafolgestörung

Unterschied zwischen PTBS und K-PTBS

Im Gegensatz zu einer PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung) die während eines klar zeitlich abgrenzbaren Zeitraumes durch klar benennbare traumatisierende Situationen entstanden ist, findet bei einer K-PTBS (komplexe Posttraumatischen Belastungsstörung) eine Dauertraumatisierung statt, meist von frühester Kindheit an. Daher spricht man bei einer PTBS von einem Schocktrauma und bei einer KPTBS von einem Entwicklungstrauma.

 

Emotionale Flashbacks

Unterschiedliche Flashbacks bei einer PTBS und einer K-PTBS

Flashbacks bei PTBS

Bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) treten Flashbacks in der Regel in Form von Bildern auf. Betroffene erleben dabei bestimmte Situationen oder Szenen erneut, die mit dem ursprünglichen Trauma verbunden sind.

Emotionale Flashbacks bei K-PTBS

Bei einer Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (KPTBS) stehen dagegen starke Emotionen im Vordergrund. Diese emotionalen Flashbacks lassen sich oft schwer kontrollieren oder in Worte fassen, da sie nicht an konkrete Bilder gebunden sind.

 

Trigger und Auslöser eines Emotionalen Flashbacks

Ein emotionaler Flashback kann durch scheinbar banale Situationen ausgelöst werden, zum Beispiel:

  • ein Geräusch oder Geruch

  • ein bestimmtes Stichwort

  • ein Blick oder eine Geste

  • ein spezieller Kommunikationsstil

Diese sogenannten Trigger können innerhalb von Sekunden eine starke emotionale Reaktion hervorrufen.

 

Symptome während eines emotionalen Flashbacks

Wird ein Flashback ausgelöst, fühlen sich Betroffene häufig in eine völlig andere Welt katapultiert. Typische Symptome sind:

  • Herzrasen

  • Todesangst

  • Schwindel

  • Schwitzen

  • Zittern

  • 4 Fs (fight, flight, freeze, fawn) - Kampf, Flucht, Erstarren, Unterwerfen

Allen Reaktionen gemeinsam ist ein Gefühl des Kontrollverlustes. Betroffene fühlen sich klein, schwach, hilflos und sind oft nicht mehr in der Lage, klar zu denken.

 

Ursachen einer k-PTBS

Toxische Systeme und Kindheitserfahrungen

Menschen mit einer K-PTBS waren oft von frühester Kindheit an psychischen Demütigungen und massiven Entwertungen ausgesetzt. Es kann, muss aber nicht zu körperlicher Gewalt gekommen sein. Wir befinden uns hier in toxischen (dysfunktionalen) Systemen mit Mitgliedern die an einer Persönlichkeitsstörung leiden und diese Symptomatik im System ausleben:

 

Persönlichkeitsstörungen im Cluster B

Im amerikanischen Diagnosesystem (DSM) findet man diese meist im Cluster B. Dazu gehören folgende Persönlichkeitsstörungen:

  • unsozial: Soziale Verantwortungslosigkeit, Missachtung für andere, Arglist und Manipulation von anderen für den persönlichen Gewinn
  • Borderline: Nicht alleine sein können und emotionale Fehlregulation
  • theatralisch (histrionisch): Aufmerksamkeit suchen
  • narzisstisch: Zugrundeliegendes gestörtes, fragiles Selbstwertgefühl und offene Grandiosität

 

Emotionale Instabilität als zentrales Merkmal

Ein zentrales Charakteristikum dieser Persönlichkeitsstrukturen ist eine ausgeprägte emotionale Instabilität. Häufig handelt es sich um Personen mit dysfunktionalen, teilweise toxischen Verhaltensmustern, die verschiedene zuvor beschriebene Symptome kombinieren.

Nutzung sozialer Systeme und Reinszenierung früher Erfahrungen

Zur Kompensation innerer Konflikte und emotionaler Belastungen bedienen sich Betroffene ihres sozialen Umfeldes, etwa innerhalb von Familie, Freundeskreis, beruflichem Kontext oder ehrenamtlichen Strukturen. Dabei kommt es oftmals zu sogenannten „Reinszenierungen“ biografisch bedeutsamer Erfahrungen aus Kindheit und Jugend, bei denen Täter- und Opferrollen vertauscht werden. Da das eigene Verhalten in der Regel nicht kritisch reflektiert wird, wird jede Form externer Kritik als unzulässig und inakzeptabel zurückgewiesen.

 

Dauerstress und körperliche Reaktionen bei einer K-PTBS

Aktivierung des Reptiliengehirns

Durch die permanenten Angriffe entsteht ein Dauerstress. In diesem Fall übernimmt der älteste Hirnstamm, das sog. Reptiliengehirn die Führung. Hier findet die Steuerung unserer Stoffwechselprozesse, der Atmung und des Herzschlages statt. Wir haben auf diesen Teil keine bewusste Zugriffsmöglichkeit, er entzieht sich unserer Kontrolle (autonomes Nervensystem). 

 

Stresshormone und Kampf- oder Fluchtreaktionen

Um der Situation körperlich gerecht zu werden sorgt das Nervensystem für die Freisetzung von Adrenalin. Bei einer Dauerbelastung werden zusätzlich stoffwechselanregende Hormone wie Cortisol von der Nebennierenrinde ins Blut abgegeben, da das Adrenalin zwar sofort, aber nur für kurze Zeit wirksam ist. Diese Reaktionen liefern die Energie für überlebenssicherndes Verhalten, das einer Stresssituation bei Tieren unter artgemäßen Bedingungen angemessen ist: Kampf oder Flucht. Mittlerweile hat man herausgefunden, dass Menschen in traumatischen Situationen noch weitere Reaktionen an den Tag legen können: Erstarrung (Notabschaltung, Dissoziation, Amnesie) oder Unterwerfung (Co-Abhängigkeit).

 

Die 4F-Strategien

In der amerikanischen Literatur findet man diese Konfliktlösungsstrategien unter dem Überbegriff „4F“ (fight, flight, freeze, fawn). Übertragen auf körperliche Reaktionen könnten diese 4 Fs z.B. zu folgenden Symptomatiken führen:

  • fight: Kampfmodus - permanente Muskelanspannung, Zähneknirschen, Kieferprobleme, Tinnitus, Hörsturz ...
  • flight: Fluchtmodus - Wegdrehen aus der Situation, Blockaden im Becken-/ISG-Bereich, Tinnitus, Hörsturz, Daueranspannung ...
  • freeze: Eingefrieren - Erstarren von Körperreaktionen (Totstellen), Anspannung, Panik, Angst, Dissoziation, Amnesie.
  • fawn: Unterwerfung - Angst, Dauerstress, gebeugte Körperhaltung, Nacken-/Schulterprobleme, Schlafstörungen, Co-Abhängigkeit ...

Der oft lange und leidvolle Weg bis zur Diagnose der K-PTBS

Die K-PTBS und ihre Begleitsymptomatiken sind im deutschsprachigen Raum vielen Ärztinnen, Ärzten und leider auch etlichen Therapeutinnen und Therapeuten kaum oder gar nicht bekannt. Ein Grund dafür ist, dass es erst mit dem ICD-11 einen eigenen Diagnoseschlüssel gibt – dieser wird in der Praxis jedoch bislang nur selten verwendet.

Problematik der aktuellen Diagnosekriterien für K-PTBS

Bemerkenswert ist, dass für die Diagnose einer K-PTBS zunächst eine PTBS festgestellt werden muss. Dies verdeutlicht, wie wenig über die Entstehung und die Besonderheiten der KPTBS in Fachkreisen bekannt ist. Wäre dies anders, könnten sich Betroffene häufig einen langen, leidvollen Weg ersparen, der sie mit unterschiedlichen körperlichen und psychischen Symptomen von Arzt zu Arzt und von Spezialist zu Spezialist führt. Zu lang andauernder Stress kann – insbesondere durch die kontinuierliche Hormonproduktion – erhebliche Schäden im Körper anrichten. Im schlimmsten Fall führt dies zu einem vollständigen Zusammenbruch des Organismus.


Was hinter uns liegt

und was vor uns liegt,

ist eine Kleinigkeit im Vergleich

zu dem, was in uns liegt.

Ralph Waldo Emerson


Traumatherapie -  Heilung und Neubeginn

Der erste Schritt:

Anerkennung und Bezeugung

In einem toxischen Umfeld ist es entscheidend, dass Betroffene bestätigt bekommen, was sie über Jahre hinweg erlebt haben. Oft gibt es keine Zeugen, da das Umfeld so tut, als sei alles normal und richtig. Das Anerkennen und Bezeugen des Geschehenen ist daher der erste wichtige Schritt in Therapie und Coaching.

 

Die Rolle der heilsamen Wut

Wenn das Verdrängte endlich Raum bekommt, entsteht häufig eine heilsame Wut. Diese Emotion ist wichtig, weil sie den lange verleugneten Schmerz sichtbar macht und so den Heilungsprozess einleitet. Wird diese Wut externalisiert, so ensteht Raum für Neues und Positives.

 

Rückverbindung zum Körper

Viele Betroffene haben den Kontakt zu ihrem Körper verloren. Ein wesentlicher Teil des Heilungswegs ist daher die Rückkehr zur Achtsamkeit und das Wiederentdecken der eigenen körperlichen Signale und Bedürfnisse.

 

Innere Arbeit und emotionale Heilung

Den inneren Kritiker entkräften

Ein zentraler Schritt ist die Auseinandersetzung mit dem inneren Kritiker, der oft noch strenger und verletzender auftritt als die Stimmen im Außen.

Toxische Scham überwinden

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bearbeitung der toxischen Scham, die Betroffene häufig lähmt und am Vorankommen hindert.

Arbeit mit inneren Anteilen

Besonders hilfreich ist die Arbeit mit inneren kindlichen Anteilen, um die verletzten inneren Persönlichkeitsanteile zu integrieren und zu heilen.

 

Trauerarbeit und Loslassen

Durch gezielte Trauerarbeit und die Heilung der Gefühlswelt können Betroffene alte emotionale Belastungen Schritt für Schritt loslassen.

 

Wiederaufbau von Vertrauen und Selbstwahrnehmung

Vertrauen in die eigene Wahrnehmung stärken

Therapeutisch ist es wichtig, dass Betroffene lernen, sich selbst, ihren Empfindungen, Gefühlen und ihrer Intuition wieder zu vertrauen.

Gaslighting aufdecken

Ein weiterer Schritt ist das Erkennen von Gaslighting, also der systematischen Manipulation, die über lange Zeit das Vertrauen in die eigene Realität untergraben hat.

Täter-Opfer-Dynamik erkennen und auflösen

Sobald die Muster sichtbar werden, kann die Täter-Opfer-Dynamik erkannt und aufgelöst werden – ein entscheidender Prozess, um Selbstbestimmung zurückzugewinnen.

 

Der systemische Ansatz in der Traumatherapie

Aufdecken falscher Glaubenssätze

Ein zentraler Bestandteil des systemischen Ansatzes ist das sichtbar machen von falschen Glaubenssätzen und Bewertungen, die Betroffene oft ein Leben lang durch Indoktrination übernommen haben. 

 

Arbeit mit inneren Anteilen

Die verschiedenen inneren Anteile werden identifiziert, anerkannt und in den Heilungsprozess integriert. Dadurch entsteht mehr Verständnis für die eigene innere Dynamik und die Selbstsabotage-Programme.

 

Neue Perspektiven durch Reframing

Erfahrungen neu bewerten

Vergangenes wird im Rahmen des Reframings neu betrachtet. Durch den Wechsel der Perspektive können alte Erlebnisse neu interpretiert werden.

Sprachmuster verändern

Ein weiterer Schritt ist das Training neuer Sprachmuster, die eine gesunde innere und äußere Kommunikation fördern.

 

Opfer- und Täterdynamiken verstehen

Muster erkennen

Die oft unsichtbaren Täter-/Opferdynamiken werden offengelet und bewusst gemacht. 

Neue Verhaltensweisen entwickeln

Darauf aufbauend werden neue Denk- und Verhaltensmuster entwickelt und trainiert, die den Betroffenen mehr Handlungsspielraum geben.

 

Selbstwert und Grenzen stärken

Aufbau von Selbstwertgefühl

Ein wichtiger Bestandteil ist die Stärkung des Selbstwertes, damit Betroffene sich wieder sicher und handlungsfähig fühlen.

Grenzen setzen ohne Schuldgefühle

Der systemische Ansatz unterstützt dabei, gesunde Grenzen zu setzen, ohne dabei von Schuldgefühlen belastet zu werden.