Narzisstischer psychischer Missbrauch

Narzisstischer bzw. psychischer Missbrauch bleibt oft unentdeckt und ist meist ein Tabuthema. Man trifft ihn oft in Familiensystemen an. Von der Außenwelt oft nicht erkannt, spielen sich innerhalb der Familie Manipulationen ab, die nur eines zum Ziel haben: Das Opfer zu entwürdigen und das Selbstwertgefühl des Täters zu steigern. Aber nicht nur in der Familie, auch in Partnerschaften, am Arbeitsplatz und im Freundeskreis findet man diese Missbrauchs-Dynamiken.

 

Psychische Mechanismen beim Missbrauch

Schuldgefühle und Druck auf Betroffene

Bei psychischen (narzisstischem) Missbrauch werden Schuldgefühle erzeugt und dadurch ein enormer Druck auf den Betroffenen ausgeübt. Besonders anfällig sind Menschen, die bereits in der Kindheit mit starken Schuldgefühlen konfrontiert wurden und ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl haben.

Kindheit, Co-Abhängigkeit und Manipulation

Kinder, die kein Lob erhielten und stattdessen dauernd gegängelt, entwertet und beschimpft wurden, sind später leichte Opfer, da sie ihr ganzes Leben Manipulationen ausgeliefert waren und eine sog. co-abhängige  Persönlichkeit entwickelt haben. Bei ihnen lässt sich sehr einfach ein schlechtes Gewissen erzeugen, denn sie sind es nicht anders gewohnt. Auf der Suche nach Liebe und Anerkennung stecken sie fest in dem System in der Hoffnung, dass das grausame Spiel irgendwann ein Ende hat. Diese Menschen funktionieren oft nur noch und sind davon überzeugt, dass sie für alles Negative in ihrem Leben und dem Leben der anderen verantwortlich sind.

Folgen für Erwachsene

Nicht selten sind sie Betroffene eines Burnouts, da sie ihr ganzes Leben alles gegeben haben für ein wenig Anerkennung. Aber auch andere Symptomatiken wie z.B. eine Depression, eine Angststörung, Panikattacken oder Somatoforme Störungen treten bei den Betroffenen sehr häufig auf. Das sind alles auch Symptome einer K-PTBS. In den schlimmsten Fällen endet der psychische Missbrauch in einem Suizid. Psychologen und Psychiater sind meist mit der Symptomatik völlig überfordert, weil es so vielfältig und schwer einzuordnen ist. Und letzen Endes funktionieren die Dynamiken im narzisstischen Umfeld immer genau umgekehrt, nichts entspricht "dem Lehrbuch". Oft wird den Betroffenen nicht geglaubt. Viele erzählen mir, dass in den Therapien der Satz kam: "Jetzt bleiben Sie mal bei sich, was ist denn Ihr Anteil daran?". Das verstärkt dann nur noch mehr die Schuldgefühle und die Selbstzweifel der Betroffenen und ist völlig kontraproduktiv.

 

Narzisstischer Missbrauch und KPTBS

Die Symptomatik des narzisstischen/psychischen Missbrauchs lässt sich wohl am besten unter der Diagnose "K-PTBS" (Komplexe-Posttraumatische Belastungsstörung) erfassen. Das ist im Prinzip eine "Dauertraumatisierung" von frühester Kindheit an, die für die Betroffenen bis heute meist nie aufgehört hat. Selbst wenn das Familiensystem schon längst verlassen wurde, tauchen die Probleme dann in der Partnerschaft, am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis auf. Es lastet wie ein Fluch auf den Betroffenen, weil die alten Muster sie immer wieder einholen.

Typische Merkmale von narzisstischem Missbrauch

Emotionale Manipulation

  • Liebe und Zuwendung wird an Bedingungen geknüpft
  • Das Opfer wird ständig entwertet, ausgeschlossen und gemobbt
  • Leistungen werden nicht anerkannt oder ins Lächerliche gezogen
  • Der Täter stellt sich als Opfer dar und erzeugt dadurch starke Schuldgefühle (Schuldumkehr). Oft reichen schon ein gequälter Blick, Tränen oder ein Seufzen. Lügen werden als Wahrheit dargestellt und umgekehrt.

Kontroll- und Machtdynamiken

  • Das Opfer wird mit beharrlichem Schweigen bestraft (Schweigebehandlung)
  • Respektloser und demütigender Umgang (auch im Beisein von Dritten), Lächerlichmachen, permanente Grenzüberschreitungen, Bespitzelungen (Geheimnisse sind verboten) etc.
  • Ein Narzisst kann sich nicht entschuldigen. Und wenn, dann hat er entweder einen persönlichen Nutzen daraus oder er drückt sich so geschickt aus, dass am Ende doch wieder das Opfer an allem schuld ist (Schuldumkehr)
  • Klare Absprachen und Regeln werden grundsätzlich ignoriert
  • Emotionale Erpressung durch Drohungen (z.B. Androhung von Suizid, erweiterter Suizid,  Kindesentzug, körperliche Bedrohung, das Schaffen von absoluten Ausnahmesituationen)
  • Das Opfer wird systematisch vom sozialen Umfeld isoliert durch Schlechtreden, Intrigen und Verbreiten von Unwahrheiten

Familienstrukturen und Rollenverteilung

  • Der Täter schafft sich ein Netz von Verbündeten um das Opfer noch mehr in die Hilflosigkeit und Isolation zu drängen und Intrigen zu spinnen (Flying Monkeys).
  • Vorwiegend Mütter handeln nach dem Motto: "Teile und herrsche", d.h. sie bringen die Kinder gegeneinander auf und oft gibt es einen "Sündenbock" und ein "goldenes Kind". Nabelt sich das "goldene Kind" aus dem Familiensystem ab kann es ganz schnell zum "schwarzen Schaf" werden
  • das Opfer wird gezielt manipuliert und zutiefst verunsichert. Das Realitäts- und Selbstbewusstsein, die Intuition, all das wird systematisch in einem schleichenden Prozess zerstört. Die Realität des Opfers verändert sich dadurch und es zweifelt an sich selbst (Gaslighting). Absurde Behauptungen, z. B. "mit dir stimmt was nicht, du bist psychisch krank", "das bildest du dir alles nur ein" oder "sei doch nicht so empfindlich" gehören zum Alltag. Durch die meist jahrelange Gehirnwäsche ist die Wahrnehmung komplett verzerrt.

Systematische Zerstörung des Selbstwertes

  • Ein narzisstisches Missbrauchsmuster kann sich schleichend entwickeln – vergleichbar mit dem Bild des Frosches im Kochtopf, bei dem die Temperatur langsam gesteigert wird. Schritt für Schritt wird das Selbstwertgefühl des Opfers untergraben, bis es sich kraftlos und orientierungslos fühlt. In diesem geschwächten Zustand nutzt der Narzisst die Lage gezielt aus, entzieht sich der Beziehung und wendet sich einem neuen „Wirt“ zu.

    Gerade in Partnerschaften kann sich daraus ein wiederkehrender "Toxischer Kreislauf" ergeben: anfängliche Idealisierung („Verführen“), gefolgt von Abwertung („Kritisieren“) und schließlich Abbruch („Abschießen“). Nach dem Ende beginnt das Muster oft von vorn.
  • Wenn das Opfer sich wehrt oder die Beziehung abbrechen will, setzt der Narzisst die sog. Hoover-Taktik ein. Wie ein Staubsauger zieht er das Opfer wieder zurück indem er es erneut verführt um es dann wiederum wie Dreck zu behandeln und es erneut abzuschießen.
  • Meist stellen sich im Laufe der Zeit psychosomatische Beschwerden ein, d.h. körperliche Symptome für die es keine medizinische Ursache zu geben scheint. Die Betroffenen leiden oft jahrelang an Entzündungen, Hautproblemen, Zähneknirschen, Probleme im Magen-Darm-Bereich, Unterleibsbeschwerden, Rücken-/ Nackenschmerzen/ISG usw.. Meist kommen dann noch Depressionen, Ängste oder Panikattacken hinzu. Dadurch wird das Opfer weiter destabilisiert und der Zerfall schreitet weiter fort. Diese Symptome sind Anzeichen für eine klassische K-PTBS.
  • Spricht das Opfer in der Öffentlichkeit über den Missbrauch wird der Ruf des Opfers meist durch Intrigen und Lügen zerstört und der Vorwurf ins Absurde, Lächerliche gezogen
  •  Eine offene und ehrliche Kommunikation wird unterbunden, vieles geschieht im Hintergrund, um im Geheimen zu intrigieren

Folgen für die Opfer

Viele Betroffene verharren ihr ganzes Leben in einer regelrechten Starre aus Schuldgefühlen, angepasst an die Erwartungen des Täters. Oft suchen sie sich zielsicher narzisstische Partner, Freunde oder Vorgesetzte. Die Opfer wissen meist nicht, was sie wirklich wollen, da sie nie eigene Bedürfnisse äußern und sich abgrenzen durften. Wenn ihnen das Glück widerfährt aus dem Alptraum zu erwachen, dann sind sie meist völlig hilflos und ängstlich, da sie sich ihr ganzes Leben lang in einer sog. Co-Abhängigkeit befunden haben. Wird der Missbrauch aufgedeckt spüren sie zwar eine enorme Erleichterung doch kommen sie nicht so einfach aus der Opferrolle heraus da sich das ganze Leben immer nach anderen Personen ausgerichtet hat. Für einen Außenstehenden, der nie manipuliert und missbraucht wurde, ist dies oft nicht nachvollziehbar. Beim Opfer sind die schuldbeladenen Denk- und Verhaltensweisen jedoch so tief seit der frühesten Kindheit verankert, dass es oft nur eines bestimmten Wortes oder Gestik des Täters bedarf, um das alte Programm wieder zum Laufen zu bringen. Für die Betroffenen verlangt es daher sehr viel Disziplin, Mut und Kraft, nicht wieder in die alten Denk- und Verhaltensmuster zurückzufallen.

 


 

Das Leben verlangt von uns oft,

dass wir Dinge wegstecken,

für die wir gar keine Taschen haben.

Unbekannt 

 


Der systemische ansatz in therapie & coaching

Genau hier setzt der Systemische Ansatz in der Beratung an. Es werden die Opfer-/Täterdynamiken aufgedeckt, neue Denk- und Verhaltensmuster besprochen und trainiert, der Selbstwert gestärkt. Die lebenslang indoktrinierten falschen Glaubenssätze und Bewertungen werden aufgedeckt. Erlebtes wird umdefiniert, aus einer anderen Perspektive betrachtet und neue Sprachmuster trainiert. Der Betroffene lernt in seinem Umfeld Grenzen zu setzen und sein Selbstwertgefühl zu steigern.

 

Betroffene zwischen Erfolg und Verletzlichkeit

Opfer oder erfolgreiche Persönlichkeiten?

Es ist eigentlich nicht angebracht, in diesem Zusammenhang von "Opfern" zu sprechen, da die Betroffenen meist sehr erfolgreich sind im beruflichen Kontext. Oft sind es Menschen in leitenden Funktionen die gelernt haben "zu funktionieren" was sie besonders anfällig für ein Burnout macht.

 

Hochsensible Personen (HSP)

Viele meiner Klientinnen und Klienten zählen zu den sogenannten HSP (highly sensitive persons). Das bedeutet, dass sie besonders feinfühlig sind, ein starkes Gespür für unausgesprochene Stimmungen haben und über ausgeprägte empathische Fähigkeiten verfügen. Fluch oder Segen? – In den meisten Fällen wohl eher Letzteres. Denn genau diese Sensibilität verleiht ihnen wertvolle Kompetenzen im zwischenmenschlichen Miteinander – Fähigkeiten, die in Stellenausschreibungen häufig unter dem Begriff „Soft Skills“ aufgeführt werden.